Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Fernweidewirtschaft

Zusammenfassender Begriff für diejenigen Formen der Weidewirtschaft, in denen die Futtergründe der Tiere nicht direkt um einen ständigen Wohnsitz liegen. Die Entwicklungsgeschichte der Wanderviehwirtschaft lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen. An die naturräumliche Ausstattung angepasste Weideformen entwickelten sich zu verschiedenen Formen der Fernweidewirtschaft. Daneben beeinflussten soziale, politische und wirtschaftliche Entwicklungen im starken Maße die Erscheinungen der Viehwirtschaft.

Fernweidewirtschaft ist eine traditionelle Lebensweise ursprünglicher Regionen, in denen ackerbauliche Landwirtschaft aufgrund der naturräumlichen Ausstattung nicht möglich ist. Gebirgsregionen der winterfeuchten Subtropen sowie subtropische Trockenregionen (Steppen, Voll- und Halbwüsten) sind typischerweise Zonen mit ausgeprägter Fernweidewirtschaft. Neue staatliche Strukturen bewirken, dass durch neue Grenzziehungen ehemalige Wanderbewegungen stark eingeschränkt (N-Afrika) und teilweise gänzlich unterbunden (Balkan, Kleinasien) wurden.

Einzelne Formen der Fernweidewirtschaft sind

Man schätzt, das 200 bis 500 Mio. Menschen auf der Erde vorwiegend von traditionellen Formen der Fernweidewirtschaft leben. Da diese Wirtschaftsweisen sehr häufig mit Ackerbau kombiniert werden, ist eine genauere Zahl nicht ermittelbar.

Als klassische europäische Regionen der Fernweidewirtschaft gelten die mediterranen Bergregionen Iberiens und des Balkans. Heute ist im Balkan intensive Herdenhaltung (wie in den Dinariden) nur noch selten zu finden. Die natürlichen Gegebenheiten ausnützend, prägte das auf Viehhaltung bezogene, kulturelle Verhalten der Balkanvölker einheitlich deren soziale und kulturelle Entwicklung. Ein Nebeneinander, zum Teil in unmittelbarer Nachbarschaft, und enge Verflechtung der verschiedenen weidewirtschaftlichen Formen hat eine differenzierte Raumausnutzung geschaffen die auch auf ethnischen Besonderheiten fußte.

In Regionen, deren Agrarwirtschaft aufgrund der Naturraumausstattung für kaum eine andere Wirtschaftsform geeignet scheint, konnte sich diese Lebensform bis heute halten. In den extremsten Regionen des Dinarischen Karst sind durch die Wasserarmut des Holokarstes nur kleinräumige Wanderungsbewegungen möglich. Die traditionelle Wirtschaftsform ist in Westmontenegro daher die Kolibawirtschaft.

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