Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

El Niño und La Niña

El Niño bezeichnet die unterschiedlich stark ausgeprägte, großskalige Erwärmung des Oberflächenwassers, die im gesamten äquatorialen Bereich des zentralen und des östlichen Pazifik vor der peruanischen Küste stattfindet (ca. ¼ des Erdumfangs), und die die atmosphärische Zirkulation weltweit beeinflusst. El Niño erreicht gewöhnlich seinen Höhepunkt um die Weihnachtszeit. Dieser saisonale Anstieg der Meeresoberflächentemperatur markiert das Ende der Fischfangsaison und peruanische Küstenfischer belegten zunächst dieses jahreszeitliche Signal mit dem Wort El Niño (spanisch für 'Christkind'). Die Erwärmung ist in einigen Jahren allerdings besonders stark und die Fische kehren auch nicht wie üblich am Ende des Frühjahrs wieder. Diese besonders starken Erwärmungen (>5 °C) dauern typischerweise etwa ein Jahr lang an. Heute werden nur noch diese außergewöhnlichen Erwärmungen mit El Niño bezeichnet.

Eine mit El Niño verbundene Erscheinung ist die Southern Oscillation, eine in Ost-West-Richtung hin- und herpendelnde Bewegung von Luftmassen zwischen dem Pazifik und den indo-australischen Gebieten.

Diese Erscheinung ist grob synchronisiert mit typischen Windströmungen (z.B. schwächere SE-Passate) und mit El Niño und wird mit dem Southern Oscillation Index (SOI) dargestellt. El Niño ist dabei die ozeanische Komponente, Southern Oscillation die atmosphärische. Diese Kombination führte zu dem Akronym ENSO. Ausgeprägt negative Werte des SOI sind mit warmen Ereignissen verbunden.
Im Durchschnitt tritt El Niño alle 3 bis 7 Jahre auf, und ist mit dieser mehr oder weniger stabilen Regelmäßigkeit wie die meisten atmosphärischen Erscheinungen als ein normales Phänomen anzusehen.

El Niño verursacht besonders im Ostpazifik eine drastische Reduzierung der ozeanischen Primärproduktion, auf der der dortige Fischreichtum (Anchovis) basiert, und beeinträchtigt so die Meeresfischerei erheblich, z.T. bis zum völligen Zusammenbruch (1972). Dies erklärt sich aus der anomal schwachen Ausprägung der SE-Passate, die es nicht vermögen, die küstennahen warmen Deckschichten seewärts zu verfrachten und es folglich nicht zu einem Aufströmen von kaltem und nährstoffreichem Tiefenwasser kommt.
El Niño hat in verschiedenen Teilen der Erde unterschiedliche Auswirkungen, teils nutzbringende (vermutlich wird die Entstehung von Hurrikanen im Atlantik unterdrückt), teils negative (Trockenheit im südöstlichen Afrika, süd-östlichen Inselasien und im nördlichen bis nord-östlichen Lateinamerika, sintflutartige Regenfälle über dem westlichen Südamerika).

Auswirkungen auf die Volkswirtschaften und die Gesundheitssysteme als Folge dieser Klimaextreme sind nur zu einsichtig, dazu gehören beispielsweise:

Zu den Anpassungsmaßnahmen an El Niño-Episoden gehören der Anbau von Trockenheits-resistenten Pflanzen, Änderungen der Fruchtfolge oder der Aufbau von Beratungs- und Notfallstrukturen, beispielsweise durch die FAO.

El Niño-Ereignisse sind Teil eines Zyklus, dessen zweites wesentliches Element Phasen sind, in denen die atmosphärisch-ozeanischen Prozesse mit genau umgekehrten Vorzeichen ablaufen. Diese Phasen wurden mit der Bezeichnung La Niña versehen. Unter La Niña-Bedingungen verschärft sich der Temperaturkontrast im Pazifik längs des Äquators, und es bildet sich eine weit nach Westen reichende Kaltwasserzunge aus. Die Folgen sind erhöhte Niederschläge über dem westlichen Pazifik und Teilen Südostasiens, im westlichen Südamerika jedoch ungewöhnlich trockene Verhältnisse. Europa wird von beiden Ausprägungen des Zyklus nur schwach und statistisch unauffällig berührt.

Der El Niño-La Niña-Zyklus besitzt keine strenge Periodizität, doch lassen sich die Oberflächentemperaturen mit einem gekoppelten Ozean-Atmosphäre-Modell für den Zeitraum bis zu einem Jahr recht zuverlässig vorhersagen.

Ein besonders starker El Niño fand 2015/16 statt. Jedoch waren die Auswirkungen auf die Agrarerzeugung nicht so stark wie ursprünglich befürchtet. Bei gleichzeitig guten Ernten auf der Nordhalbkugel, insbesondere USA, und Nachfrageschwäche in vielen Schwellenländern blieben die Marktauswirkungen des neuerlichen El Niño begrenzt. Erst nach seinem meteorologischen Höhepunkt zum Jahreswechsel 2015/16 machte sich El Niño auf globalen Märkten für Soja, Mais und Zucker über kräftige Preisanstiege stärker bemerkbar. Ursache waren die extremen Witterungsverhältnisse in Südamerika, gekennzeichnet durch massive Regenfälle in Argentinien und durch Hitze und Trockenheit in Brasilien sowie in Südostasien.

Weitere Informationen:

Pfeil nach linksEjidoHausIndexElectronic MarketingPfeil nach rechts