Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Welternährung

Der Begriff Welternährung wird erst seit dem 20. Jh. gebraucht. Noch immer leiden weltweit fast 1 Milliarde Menschen – von bald 8 Milliarden auf der Erde – an Hunger. Jedes Jahr sterben beinahe 9 Millionen Menschen durch Hunger, alle 15 Sekunden ein Kind. 50 % der Hungernden sind Kleinbauern, die sich von dem ernähren müssen, was sie selbst anbauen. Wenn ihre Ernte schlecht ausfällt und nicht für sie reicht oder wenn sie schlechte Preise für ihre Produkte bekommen, leiden sie Hunger. Weitere 20 % der Hungernden sind landlose Landarbeiter, 20 % leben in Elendsvierteln der Städte, 10 % sind Fischer und Viehzüchter.

Bis zum Beginn der Kolonialisierung gab es in mehr oder weniger abgeschlossenen, voneinander getrennt existierenden Regionen auch durch Unwetter, Schädlings- oder Seuchenbefall oft Hungersnöte.

Heute könnte die gesamte Menschheit – rein theoretisch – ausreichend ernährt werden. Dass dies nicht geschieht, hängt von Geld-, Transport- und Verteilungsproblemen, Kriegen und politischen Entscheidungen ab.

In der Vergangenheit verbreitete sich von Zeit zu Zeit die Befürchtung, dass die Produktionskapazität der Landwirtschaft hinter dem Nahrungsbedarf der Bevölkerung zurückbleiben könnte. Bei der Argumentation stand einmal die Angebotsseite im Vordergrund, etwa der Ressourcenverfall oder die Verschlechterung der Produktionsbedingungen, ein anderes Mal die Nachfrageseite, insbesondere das Bevölkerungswachstum, mit dem die Produktionssteigerung nicht Schritt halten würde. Heute werden die diesbezüglichen Aspekte der Nachfrage nach Nahrungsgütern und des Angebots an Agrarprodukten in den Schlüsselwörtern Ernährungssicherung und Nachhaltigkeit der Produktion zusammengefasst. Wegen der Bedeutung des Handels in der arbeitsteiligen Wirtschaft tritt der nationale und internationale Güteraustausch zwischen Wirtschaftssubjekten und Wirtschaftsräumen als eigenständiger Betrachtungsgegenstand der Ernährungssicherung hinzu.

Der Produktionsfaktor Boden ist in vielen Regionen der Welt nur in unzureichender Qualität und/oder in unzureichendem Umfang vorhanden. Oft herrscht auch Mangel an Wasser (siehe Wasserbedarf). In vielen Ländern ist die Ausrüstung mit Kapital, d.h. sowohl mit Maschinen und Saatgut als auch mit Vieh höchst unzureichend. Weil es in der Welt kaum funktionierende Märkte für Agrarprodukte gibt, können Entwicklungsländer ihre Produkte häufig nicht zu angemessenen Preisen absetzen (siehe WTO). Auf der anderen Seite werden Futtermittel aus Entwicklungsländern für die Veredlungswirtschaft in Europa importiert. Eine nachhaltige Sicherung der Welternährung wäre nur möglich, wenn Handelshemmnisse beseitigt, gleiche Marktbedingungen geschaffen, die Erzeugung und Verarbeitung von gewonnenen Produkten in den Entwicklungsländern gefördert und das Bevölkerungswachstum sich verlangsamen würden. Außerdem müsste kontrolliert werden, dass keine Gelder für Entwicklungshilfe in Rüstung oder „private Taschen“ fließen. - Auch Spekulationen mit Nahrungsmitteln - wirken sich negativ aus.

Nur knapp ein Viertel der Böden sind ohne Einschränkung zum Anbau landwirtschaftlicher Produkte geeignet, ein weiteres Viertel ist zu trocken, der Rest bringt wegen schlechter Lage oder zu starker Kälte nur geringe Erträge.

Die Wirtschaftskrise (2008, 2009, 2010) verstärkte die Probleme dramatisch. Dass die Eurokrise (2014/2015) sich auch auswirkt, ist sicher. Als weitere Negativfaktoren kommen die Folgen des Klimawandels, der Rückgang der weltweit landwirtschaftlich nutzbaren Fläche und auch verfehlte Regionalpolitik hinzu.

Einige Fakten zur Welternährung

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