Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Waldweide

In historischer Sicht eine Nutzungsform des Waldes, bei der die verschiedenen Nutztierarten zur Ernährung in die Wälder getrieben wurden. Eine besondere Form sind dabei die Hutewälder, in denen gezielt die Baumfrüchte im Herbst zur Tiermast, i.d.R. für Schweine, genutzt wurden.

In früheren Jahrhunderten in Mitteleuropa übliche Form der Wald-Nebennutzung (in der Regel von Laubwäldern) mit dem Eintrieb von Schweinen, Rindern, Schafen und Ziegen in den Wald, vor allem in den Allmendwald. Dem Weidevieh dienten Eicheln, Bucheckern, Haselnüsse, trockenes und frisches Laub, Jungwuchs und sonstige Triebe sowie die Bodenvegetation als Nahrung. Die Waldweide lieferte Tierprodukte, Wertholz und Brennholz.

Erste Anfänge der Waldweide reichen in Europa bis ans Ende der Mittelsteinzeit (ca. 8.000 bis 3.000 v. Chr.) im Übergang zur Jungsteinzeit (ca. 3.000 bis 1.800 v. Chr.) zurück. Das Klima änderte sich von einem subarktischen Landklima in der Vorwärmezeit (ca. 8.000 bis 6.600 v. Chr.) hin zu einem eher mediterranen Klima in der mittleren Wärmezeit (ca. 5.400 bis 2.500 v. Chr.) mit einem Temperaturmaximum von 1 - 2 °C über der heutigen Jahresdurchschnittstemperatur. Dabei existierte die Waldweide über mindestens 5.000 Jahre bis Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts extensiv ohne Trennung von Wald und Flur. Erst mit Einführung der Stallhaltung um jene Jahrhundertwende erfolgte sukzessive die Abkehr von der Waldweide, die aber teilweise bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts weiter betrieben wurde.

Durch den regelmäßigen Verbiss von Jungpflanzen, der mit der Beweidung einherging, wurde die natürliche Waldverjüngung zurückgedrängt und es entstanden mit der Zeit mehr oder weniger offene Haine und Weidelandschaften. Der Übergang zwischen Wald und Weide war dabei fließend und hing insbesondere von der jeweiligen Bewirtschaftung und den örtlichen Gegebenheiten ab. In einigen Regionen landschaftsprägend waren mehr oder weniger frei stehende sehr alte Bäume mit mächtigen Kronen und reichlicher Samenproduktion („Futterbäume“). Baumarten wie die Eiche, die unter ungestörten Bedingungen von der Buche verdrängt werden würde, profitierten von dieser Bewirtschaftungspraxis.

Zusammen mit anderen Nutzungen (planlose Entnahme von Brenn- und Bauholz, Köhlerei, Glasbläserei, Pottaschegewinnung, Entnahme von Einstreu für die Ställe und von Plaggen für die Düngung) führte die Waldweide zu einem Raubbau am Wald. Während der Eintrieb von Schweinen in den Eichen- und Buchenwäldern geringeren Schaden anrichtete, vernichteten Rinder, Schafe und Ziegen den jungen Baumwuchs, der von Ersatzgesellschaften (Trockenrasen, Callunaheide, Triftweiden) verdrängt wurde. Die Waldweide ist mit den Agrarreformen des 18. und 19. Jahrhunderts und aufgrund einer veränderten Tierhaltung praktisch abgelöst bzw. aufgehoben worden. Sie ist heutzutage nur noch regional von Bedeutung.

Waldweide ist heute weder forstwirtschaftlich erwünscht noch landwirtschaftlich ertragreich. In Mitteleuropa beschränkt sie sich heute überwiegend auf höhere Lagen, und zwar auf die Übergangszonen von der Almweide zum Wald. Dem Weidetier vermag sie hier zugleich als Schutzzone gegenüber Witterungseinwirkungen dienen.

Neuerdings wird eine Wiederbelebung der Waldweide im Rahmen von Extensivierungskonzepten für die Landwirtschaft und aus Naturschutzgründen erwogen, die in manchen Gebieten wieder zu einer attraktiven beweideten Parklandschaft führen könnte. Zumindest teilweise wird sie aber ökonomisch nicht tragfähig sein und wie andere Arten der Landschaftspflege und -offenhaltung einer zusätzlichen Finanzierung bedürfen.

Moderne Waldweide dient teilweise ausdrücklich nicht der landwirtschaftlichen Produktion. Der Eintrieb von Weidetieren erfolgt mit dem Ziel, lichte Wälder durch Kurzhalten der Gehölzvegetation zu erhalten, zu entwickeln und mit dem Umland zu vernetzen. Ohne den Vieheintrieb müssten die betreffenden Flächen motor-manuell bearbeitet und das Mäh- und Schnittgut häufig von Hand abtransportiert werden. Gegenüber der historischen Nutzungsform hat sich die Bedeutung moderner Waldweide weg von der Tierernährung, nahezu vollständig auf den Bereich des Artenschutzes und der Landschaftspflege verlagert. Daneben kann ein Beitrag zu Nahrungsergänzung und artgerechter Tierhaltung erreicht werden. Da auf Waldweiden Wald- und Offenlandarten miteinander verzahnt auftreten sind positive Auswirkungen auf die Biodiversität möglich. Waldweiden sind kulturhistorische Zeugnisse und werden aus landschaftsästhetischem Blickwinkel von Erholungssuchenden als schön empfunden. Waldweide kann die Tierhaltung im Offenland gut ergänzen. So dienen Pflanzen der Gras-, Kraut- und Strauchschicht sowohl als Nahrungsergänzung wie auch als „Apotheke“, denn sie können bei geschickter Weideführung bei der Bekämpfung von Tierkrankheiten und Parasiten helfen. (ForstBW 2017)

Auch in den Tropen und Subtropen sind traditionelle silvopastorale Betriebssysteme mit einer ungeregelten Nutzung von Waldgebieten nur noch selten. Größere Bedeutung erlangen moderne silvopastorale Betriebssysteme, die durch eine geregelte Weidewirtschaft, vor allem aber durch die systematische Doppelnutzung von Wäldern zur Holz- und Tierproduktion, gekennzeichnet sind.

(s. a. Agroforstwirtschaft, Agropastoralismus, Waldbrandwirtschaft, Waldgarten)

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