Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Gerste

Die Gerste (bot.: Hordeum vulgare), engl. barley, fr. orge, ist die viertwichtigste Getreideart und gehört zu den Süßgräsern (bot.: Poaceae). Sie ist heute aufgrund ihrer Robustheit und hohen Anpassungsfähigkeit eine der geographisch am weitest verbreiteten Nahrungspflanzen. Gerste wird einjährig angebaut und wächst etwa 0,5 bis 1,3 m hoch. Sie ist anspruchslos und wächst auf einfachen Böden und in Hochlagen. Das Gerstenkorn ist etwas länglicher als Weizen mit spitz zulaufenden Enden. Meist dominieren bei der Speisegerste goldgelbe Körner, die für Grütze oder Graupen eine hellere Farbe ergeben als rötliche oder braune Sorten.

Herkunft

Gerste gehört neben dem Einkorn zu den ältesten Getreidearten. Sie wurde vor ca. 10.000 Jahren im Gebiet des Fruchtbaren Halbmondes von der Wildgerste (Hordeum spontaneum) gewonnen und domestiziert. Ab dem 5. Jt. v.Chr. wurde sie auch in Europa kultiviert. Die Gerste wurde damals geröstet, zerstoßen und zu Brei und später auch zu Fladenbrot verarbeitet. Während des Mittelalters war die Gerste nur in kühleren Regionen von Bedeutung. 

Der Hauptnährstoff der Gerste ist das Kohlenhydrat Stärke. Durch geeignete Verarbeitung wird die Stärke enzymatisch zu Dextrinen und Zucker abgebaut. Diesen Prozess nutzt man zur Herstellung von Malzmehlen, -extrakt und Bier. Durch die leichte Verzuckerung wirkt Gerste stärkend auf das Nerven-Sinnes-System des Menschen, was günstig für Konzentration und geistige Anstrengung ist.

Nutzung

Gerste wird hauptsächlich als Tierfutter (70 %), sowie für die Herstellung von Malz (fast 30 %) als Rohstoff für Bier und Spirituosen (Whisky, Korn) genutzt. Ein alkoholfreies Getränk aus Gerste ist Gerstenwasser (barley water). Es entsteht aus dem Wasser gekochter Gerstenkörner, die mit Säften und Gewürzen gemischt werden.

Bei der Gerste unterscheidet man zweizeilige Sommergerste und mehrzeilige Gerste, meist Wintergerste. Zweizeilige Gerste wird hauptsächlich in der Brauerei verwendet, mehrzeilige Gerste in der Lebensmittelverarbeitung und als Futtermittel.

Die Bedeutung von Gerste als primärem Nahrungsmittel ist zwar im Vergleich zu früher stark gesunken, sie ist aber immer noch wichtig in Marginal- und Subsistenzgebieten in den Maghreb-Ländern, im Nahen Osten, den Hochlandgebieten Asiens, am Horn von Afrika sowie in den Anden.

Gerste wird anhand der unterschiedlichen Ähren in zwei- und mehrzeilige Formen unterschieden, was auch für die Nutzung von Bedeutung ist. Vier- und sechszeilige Gerstensorten sind überwiegend Wintergerstensorten, die (im Gegensatz zu dem im Frühjahr ausgesäten Sommergetreide) im Herbst gesät werden und eine Vernalisation zum Schossen benötigen. Durch die längere Vegetationsphase und die effektive Nutzung der Winterfeuchtigkeit sind die Erträge höher und die Nährstoffe günstig für die Verwendung als Futtergerste. Wintergerste wird daher vorwiegend als Futtergetreide angebaut. Die Spelzen erhöhen den Rohfaseranteil und wirken sich diätetisch positiv aus. Deshalb wird Wintergerste mit höherer Energiedichte in der Sauenfütterung und Schweinemast eingesetzt. In der menschlichen Ernährung spielt die Wintergerste nur eine untergeordnete Rolle. Es besteht nur ein sehr kleiner Markt für Wintergerste zur Herstellung von Graupen, Malzkaffee und Fladenbrot. Neuere Wintergerstensorten mit hohen Gehalten an Protein und Ballaststoffen werden nur für die menschliche Ernährung angebaut.

Zweizeilige Gerstensorten (überwiegend Sommergerste) enthalten besonders viel Stärke und wenig Protein. Sie finden vorwiegend bei der Bierherstellung als Braugerste Verwendung (Malz) und werden zu Gerstengraupen verarbeitet. Mälzereien und Brauereien fordern große, einheitliche Partien an Braugerste, um eine gleichmäßige Bierqualität zu gewährleisten. Gute Braugerste hat eine feine, leicht gekräuselte Spelze mit einem Spelzanteil zwischen 7 - 9 %, das Korn soll rundlich, vollbauchig mit wenig ausgeprägter Bauchfurche sein und eine mittlere bis hohe Tausendkornmasse (TKM) haben bei geringer Schalendicke. Zu guter Letzt sollte der Eiweißgehalt zwischen 8,5 - 11,5 % liegen. Ist dies nicht der Fall gelangen diese nicht geeigneten Partien an Braugerste in den Futtertrog oder das mit ihr gebraute Bier schmeckt leer und bildet auch nach vielen Zapfversuchen keine Schaumkrone.

In nicht gemälzter Form wird Gerste zu Grütze oder Graupen verarbeitet und gelegentlich auch zu Mehl gemahlen. Speziell für die menschliche Ernährung gezüchtete Gerste mit einem Gehalt an Beta-Glucan von mehr als 4 g pro 100 g wird als Korn, als Flocken oder verarbeitet zu Mehl angeboten. Daraus werden auch Gerstenbrote hergestellt.

Anbaugebiete

Führend im Anbau sind Russland, Australien und die Ukraine, in Westeuropa Deutschland, Frankreich und UK, ferner Kanada und die Türkei. Die größten Anbaugebiete Deutschlands liegen in Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg.

2016 betrug die Produktion weltweit 141 Millionen Tonnen, die auf einer Fläche von 47 Millionen Hektar angebaut wurden. Gerste ist anspruchsloser als Weizen und kann unter unterschiedlichen Bedingungen wachsen.

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