Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Europäische Agrarrevolution

Teils auch als Zweite Agrarrevolution bezeichnete und sowohl in ihrer räumlichen, aber vor allem in der zeitlichen Abgrenzung diskutierte Phase geballter Veränderungen des Agrarsystems in Europa. Als Kernphase ist wohl die Zeit vom späten 17. Jahrhundert bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts anzusehen, als die ersten Grundlagen für die Industrialisierung der Landwirtschaft gelegt wurden, es zu einer Revolution des Wissens, der landwirtschaftlichen Praktiken und Innovationen, sowie auch der Eigentumsverhältnisse kam.

Da England und Zentralschottland bei diesen Entwicklungen führend waren, kam auch die Bezeichnung "British Agricultural Revolution" auf. Um 1660 fanden sich die großen landwirtschaftlich nutzbaren Flächen des Vereinigten Königreichs in Händen einiger weniger Großgrundbesitzer, die zumeist von adeliger, seltener von bürgerlicher Abstammung waren. Diese verpachteten ihre ländlichen Besitztümer im großen Stil an sogenannte Farmer, die aufgrund ihrer Abhängigkeit zunehmend gezwungen und zugleich bestrebt waren, nach aller Möglichkeit ertragreich, effektiv und produktiv zu wirtschaften. Daher waren sie auch an technischen Neuerungen interessiert, woraus eine tatsächliche Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivität resultierte. Eine ähnliche Entwicklung setzte etwas später auf dem Kontinent ein.

Hier wie dort wurden die Leistungssteigerungen mitunter auch durch das Aufstreben der Landwirtschaft zu einer neuen wissenschaftlichen Disziplin begünstigt: Immer häufiger wurden im 19. Jh. Agrarwissenschaftliche Institute gegründet und landwirtschaftliche Studien herausgegeben, die Innovationen und Errungenschaften in ebendiesem Sektor versprachen. Albrecht Daniel Thaer, der als Begründer der agrarwissenschaftlichen Lehre gilt, entwickelte beispielsweise die ertragreiche Fruchtwechselwirtschaft, als er das erste deutsche landwirtschaftliche Lehrinstitut (sogenannter Thaers Garten) gründete und dort wissenschaftliche Studien betrieb. Alexander von Humboldt, Justus von Liebig und andere führten hingegen erste agrochemische Untersuchungen durch und intensivierten somit den Einsatz von Düngemitteln (Guano, Chilesalpeter, Superphosphate).

Bedeutende Elemente der Europäischen Agrarrevolution:

Die Zweite Agrarrevolution gilt insbesondere in England als Voraussetzung für die industrielle Revolution und ist mit ihr deutlich verwoben. Die Steigerung der Flächen- und Arbeitserträge, sowie die Auflösung von Allmenden ermöglichte die Freisetzung von ehemals in der Landwirtschaft tätigen Menschen. Diese zogen in die Städte, wo die Fabriken ihre Arbeitskraft benötigten.

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