Lexikon des Agrarraums

Kurt G. Baldenhofer

Zuckerrohrplantage in Australien

Niederwald

Niederwälder sind eine historische, multifunktionale Form der Waldbewirtschaftung. Sie wurde über Jahrhunderte zur Brennholzgewinnung betrieben, lieferte aber auch viele weitere Produkte wie Holzkohle oder Eichenrinde zum Gerben von Leder. Die Bäume in Niederwäldern werden vergleichsweise früh im zeitlichen Abstand von rd. 15 - 40 Jahren abgeholzt und (zumindest heute) vorwiegend als Brennholz weiterverarbeitet. Die Regeneration des Waldes erfolgt über Stockausschläge - also Jungtriebe - aus den verbliebenen Wurzelstöcken und Stümpfen.

Niederwälder sind dadurch heller, wärmer und offener als Hochwälder und bilden ein Mosaik aus verschiedenen Stadien der Vegetationsentwicklung. Dies schafft günstige Bedingungen für viele Tier- und Pflanzenarten. Lichtbedürftige Baumarten wie Vogelbeere, Echte Mehlbeere, Elsbeere, Speierling, Vogel-Kirsche, Birke, Esche oder Zitterpappel finden ihren Platz in Niederwäldern. Auch die Krautschicht kann besonders zu Beginn des Zyklus artenreich ausgeprägt sein.

In Deutschland sind Niederwälder über die vergangenen 150 Jahre fast Überall in Hochwälder umgewandelt worden, da Brennholz durch fossile Brennstoffe ersetzt wurde. Die Folge: Tier- und Pflanzenarten, die an Niederwälder angepasst sind, haben stark abgenommen.

Diese Nutzung ergibt je nach Altersstadium charakteristische Bilder des Lebensraumes: Beginnend bei einem großen Kahlschlag mit wenigen Einzelbäumen, über das Stadium auf dem Foto bis zu "armdicken" Bäumen, welche von einer Basis aus - dem alten Stock - in den Himmel wachsen. Die spezielle Wirtschaftsform begünstigte folglich Baumarten, welche vor allem in der Lage sind, aus dem abgesägten Baumstamm wieder neue Stämme zu treiben. Das sind z. B. Hainbuche (Carpinus betulus), Hasel (Corylus avellana), Birke (Betula pendula) oder unsere beiden Eichenarten (Quercus petraeaQuercus robur). Insbesondere die sonst in unseren Wäldern so dominierende Baumart Rotbuche wurde durch das "Auf den Stock" setzen zurückgedrängt.

Niederwälder sind in ganz Deutschland zurückgegangen und stellen weniger als 1% der Waldfläche dar. Einzelne Flächen mit traditioneller Nutzung findet man noch in den Mittelgebirgen (z.B. Sieger- und Sauerland, Westerwald und Lahn-Dill-Bergland).

Historie

Die Bewirtschaftung der Niederwälder entspricht der traditionellen Haubergwirtschaft, welche aus dem Siegerland, Westerwald und Lahn-Dill-Bergland bekannt ist. Bei ihr wurden die Eichen der Niederwälder vor der Abholzung längs des Stammes geschält und die getrocknete Rinde (Lohe) zur Gerbung von Leder eingesetzt. Das Holz der Bäume wurde mittels Kohlemeilern in Holzkohle umgewandelt und diente vor allem in der Anfangszeit der Erzverhüttung. Anschließend an die Abholzung wurde von der bäuerlichen Bevölkerung noch Winter-Roggen auf den Flächen ausgesäht. Eine genaue Anleitung legte darüber hinaus fest, wann die Schonzeit für den Wald begann, ab dem er sich also wieder bis zum erneuten Start des Zyklusses entwickeln konnte.

Mit der Einfuhr fossiler Brennstoffe, alternativer Gerbstoffe und Änderung der Landwirtschaft verlor der Niederwald an Bedeutung und ging in Deutschland sehr stark zurück.

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